28.7.17

Stufen - Hermann Hesse

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht, 
blüht jede Lebensstufe, 
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Tauern
in andre, neue Bindungen zu geben. 
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, 
der uns beschützt und der uns hilft zu leben. 
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten. 
an keinem wie an einer Heimat hängen. 
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, 
er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten. 
Kaum sind wir heimisch in einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen. 
Nur wer bereit zum Aufbruch ist und Reise, 
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. 
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Rüumen jung entgegensenden. 
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden....
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

 

17.7.17

Warum ein Freiwilligendienst? (& Fazit Korfu)

In diesem Eintrag möchte ich mich der wohl wichtigsten aller Fragen zum Freiwilligendienst widmen. Warum nehmen jedes Jahr Tausende junge Deutsche die Last eines unbezahlten Arbeitsjahres auf sich, in dem sie keinen Schritt in Richtung eines vernünftigen Berufsabschlusses machen? Und das auch noch völlig freiwillig, anstatt wertzuschätzen, dass sie zu keinem Zivildienst mehr verpflichtet sind?

Das Abitur nach 12 Jahren Schullaufbahn entlässt Jugendliche von größtenteils nur 18 Jahren in die Freiheit, sich ihren Weg aus allen Himmelsrichtungen, beruflichen Laufbahnen und Lebensentwürfen die der Mensch bisher erfunden hat, auszuwählen. Deutsche sind reich - reich an Chancen und reich genug, um die meisten bezahlen zu können. In dieses Meer an Möglichkeiten geschubst zu werden, überfordert leichterdings, wurde den Schülern doch noch kurz zuvor eingeschärft, sie hätten jetzt die berufliche Laufbahn zu wählen, in der sie die nächsten Jahrzehnte als produktive wirtschaftliche Einheit verbringen dürfen, schließlich wollt ihr auch mal eine Rente bekommen, oder? 

Kein Wunder also, dass viele erst einmal auf der Stelle paddeln, anstatt übereilig zu nächstbesten Boje zu kraulen. Die Freiheit, sich die Richtung, in die es einmal gehen soll, noch aussuchen zu dürfen, wird zunächst sorgsam ausgekostet und zur Gelegenheit der unverbindlichen Orientierung in der Welt. Eins ist klar: Ein Freiwilligendienst bedeutet mehr als "mal noch ein Jahr Pause vor der Uni". Er ist eine Form des Gapyears, die eine Verbindung zwischen der Suche nach neuen Eindrücken und dem Bedürfnis, etwas Nützliches zu tun, bietet.  Wer ein Jahr lang freiwillig arbeitet, setzt ein Zeichen für Zivilcourage und demonstriert, dass seine Werte, seien es Nächstenliebe, Gemeinschaftlichkeit oder Weltoffenheit, mehr zählen, als das Bedürfnis nach einem gut gestopften finanziellen Polster. Die eigene Volljährigkeit und politische Mündigkeit mit einem Einsatz für Andere beginnen und damit eine Gemeinschaft, in der wir Hand in Hand und miteinander sind, anstatt mit spitzen Ellenbogen in ständiger Konkurrenz leben, das stellt eine erste Gestaltung der Gesellschaft, die der junge Mensch verpflichtet ist zu formen, dar.   Plus, ein Engagement kommt selten allein! Nach der ersten Erfahrung von Resonanz auf uneigennützige Arbeit folgen weitere Ehrenämter und die aktive Zivilgesellschaft, der Reichtum an Humanisten in Deutschland, der seinen Wert in der Flüchtlingskrise bewiesen hat, werden gepflegt. Dass solche Dienste von der Gesamtgesellschaft getragen und daher von unserem demokratischen Staat (teil-)finanziert werden, steht somit außer Frage.

Der Freiwilligendienst im Ausland (= FJA; dazu gehören IJFD und weltwärts mit unterschiedlichen Trägern) im Besonderen ist dazu geschaffen, diese Solidarität auf die internationale Ebene zu erweitern. Eine unkompliziertere Möglichkeit, in ein fremdes Land zu ziehen, ist schwer vorstellbar. Der direkte Kontakt zur Bevölkerung ist im Arbeitsumfeld sofort gegeben, Kontakte werden geknüpft und es wachsen Beziehungen, die Verständnis für im Normalfall geographisch oder sozial weit entfernte Gruppen entstehen lassen. Völlig Fremde verschmelzen zu einer Familie und lassen die Welt etwas mehr zu einem Dorf zusammenrücken, indem auch das jeweilige soziale Umfeld an der Reise teil hat. Die schlichte Dauer des Aufenthaltes ermöglicht es, völlig in eine fremde Kultur einzutauchen und fundiertes Verständnis zu entwickeln. Die Stichworte interkulturelle Kompetenzen, Fremdsprachenkenntnisse und Auslandserfahrung lassen auch die Augen zukünftiger Arbeitgeber aufleuchten... 🌟 Der Dienstleistende wird zwar als unterstützende Arbeitskraft aufgenommen und sogar  mit Begriffen der Entwicklungshilfe behaftet, doch im Fazit ist es der Freiwillige, dem in seinem Einsatz geholfen wird. Wer sich zum Jahr im Ausland in der Hoffnung entschließt, die ausgereifte, deutsche Zivilisation in die armen, unterentwickelten Länder zu bringen, wird enttäuscht. Tatsächlich ist das FJA ein Lerndienst, der junge Menschen bilden soll, sowohl in kultureller und politischer Hinsicht, als auch in sozialem Bewusstsein und als berufliche Orientierung. In der Praxis rückt die Altenpflege oder der Erzieherjob plötzlich in greifbare Nähe, anstatt allein wegen seines Stigmas vom Abiturienten von der Berufswahl ausgeschlossen zu werden.
📚
 Meine persönliche Entscheidung für den Freiwilligendienst bei Friends of Camphill India, lässt sich nicht auf einen dieser Aspekte festnageln. Während des vergangenen Jahres ist mir mit jedem Abschied von einem Einsatzort bewusster geworden, dass meine Arbeit und meine Energie mit jedem Tag, den ich länger an einer Stelle bleibe, an Wert gewinnt. Daher fiel die Entscheidung für ein ganzes Jahr am selben Ort, zwar mit Ehrfurcht, aber doch fest entschlossen. Ich bin davon überzeugt, nur mit solch einem langen Einsatz Spuren hinterlassen zu können. Weiterhin habe ich diese Einsatzdauer als Chance wahrgenommen, etwas völlig Fremdes zur Heimat werden lassen zu können. So entschied ich mich für die absolute Fremde, in die mit der deutschen Anthroposophie ein Stück Heimat eingefügt wurde und meine Wahl fiel auf Friends of Camphill India, die nicht lang damit zögerten, auch meine Bewerbung anzunehmen.


Als Quellen dienten mir Seminarinhalte und Erfahrungsberichte, etwa von frei.willig.weg, dem Weltwärts YouTube Kanal.

PS: Ich bin gestern nach neun Wochen Griechenland wieder im kühlen Fläming angekommen. Ich zupfe mir noch Strandsand aus den Haaren und bin beschwingt von der Urlaubsstimmung, die in der Villa KaliMeera herrschte. Ich weiß jetzt, dass mich nichts so fröhlich macht, wie der Anblick von Kindern mit Bärten aus Schokoladeneis. Pünktchen und Anton sind noch zu Raubtieren herangewachsen und in unserem Gemeinschaftsgärtchen wurden die ersten Tomaten und Paprika geerntet, nachdem ich unsere Pflänzchen mit Schokobarttträgern wochenlang Abend für Abend sorgsam gegossen habe. Die Lefkimmi-Schafe Vanille und Kamille fraßen bei meiner Abreise sogar den etwas lauteren Kindern aus der Hand. Viele Familien sagten mir, sie hätten bei uns ihren schönsten Urlaub verbracht. Und auch für mich war Korfu das harmonischste, freieste und glücklichste Zuhause dieses Jahres in Europa. Efcharisto poli.



Nichterida: Fledermaus
Highlight des Kinderprogrammes:
Eine Kinderbank, entworfen und umgesetzt von Dennis, 6 Jahre
 
Gemeinschaftsgarten
Die erste selbstgeerntete Tomate!

Der letzte Sonnenaufgang auf Korfu